Finnland setzt auf Housing First
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Erst ein Zuhause – und dann der Rest. Wer keinen eigenen Rückzugsort hat, an dem er zur Ruhe kommen, nachdenken und Energie tanken kann, tut sich meist auch in anderen Bereichen des Alltags schwer, weil die Basis fehlt. Auf der anderen Seite bringen weniger Bürokratie und Auflagen einen positiven Mehrwert und können effektiv bei der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit helfen. Diesen Gedanken hat Finnland schon in den 1980er Jahren aufgegriffen und in den letzten Jahren gezielt umgesetzt – und das mit Erfolg. In keinem anderen europäischen Land wird das Thema Obdachlosigkeit so produktiv adressiert, wie bei den Finnen. So ist die Zahl der Wohnungslosen nicht nur deutlich zurück gegangen, sondern hat auch weitere positive Effekte nach sich gezogen.
Das Konzept stammt aus den USA und hat bereits zahlreiche Auszeichnungen gewonnen. Die Idee: ein eigenes, sicheres Zuhause an erster Stelle, ohne erst den Umweg über temporäre Notschlafstellen und Auflagen gehen zu müssen – gekoppelt mit intensiver Betreuung. Die Idee wurde in den frühen 1990er Jahren von Sam Tsemberis in New York entwickelt, der Wohnungslosen mit psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen helfen wollte, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Als Blaupause diente ihm dabei der Ansatz des unterstützten Wohnens in der Psychatrie, an dem sich der Direktor der Organisation ‚Pathways to Housing‘ orientierte.
Im Jahr 2007 hat Finnland den ‚Housing First‘-Ansatz erstmals durch ein vierköpfiges Experten-Team vorgestellt, für gut befunden und weiter ausgearbeitet. Von 2008-2015 setzte die Regierung hierbei speziell dafür entwickelte Richtlinien um, die in den sogenannten PAAVO Programmen festgeschrieben sind und vor allem die langfristige Wohnunglosigkeit bekämpfen sollen. Im Zuge dessen wurden etliche Notschlafstellen und Hostels aufgelöst und in passende, langfristig nutzbare Unterkünfte umgewandelt. Dazu wurden weitere Apartments gekauft und gebaut. Obwohl sich die Kosten auf rund 250 Millionen Euro belaufen, hat sich die Investition nicht nur Image-technisch ausgezahlt. So haben zusammenführte Daten von verschiedenen Anlaufstellen aus dem Hilfe- und Gesundheitssystem, der Polizei und dem Justizapparat gezeigt, dass sich jedes Jahr mehrere Tausend Euro pro Person einsparen lassen, wenn man den Menschen eine eigene Wohnung bietet, statt sie auf der Straße zu lassen oder durch vorgeschaltete Hilfssysteme zu schleusen. Bis zu 15.000 Euro Ersparnis könnten den Berechnungen zufolge im Einzelfall pro Person drin sein, wobei sich die errechneten Beträge mitunter deutlich voneinander unterscheiden.