Soziale Exklusion verkürzt das Leben
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Was die kleine Momo konnte wie kein andere, das war: Zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, Zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.
Michael Ende: Momo
Der Mensch ist ein soziales Wesen und leidet, wenn er langfristig ungewollt isoliert und allein ist. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt. In seinem 2018 erschienenen Bestseller ‚Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit. Schmerzhaft. Ansteckend. Tödlich.‘ geht der Psychologe Manfred Spitzer sogar noch einen Schritt weiter: er sieht Einsamkeit nicht nur als Zivilisationskrankheit des 21. Jahrhunderts, sondern sogar als Grund für vorzeitige Sterblichkeit. Spitzer zufolge wirkt sich Einsamkeit auf die Gesundheit ähnlich negativ aus, wie 15 gerauchte Zigaretten pro Tag.
Sozialer Rückzug als Schutzpanzer
Das Halten von Kontakten und Freundschaften ist im ’normalen‘ Leben mitunter schon schwer – für Menschen ohne eigenes Zuhause, ist es jedoch noch um ein Vielfaches schwerer. Ihr Alltag unterscheidet sich signifikant von dem anderer Menschen und damit auch ihre Probleme. Diese Diskrepanz steigt im Lauf der Zeit und erschwert es zusehends, eine gemeinsame Basis zu finden. Die Konsequenz: soziale Kontakte bleiben auf der Strecke – mitunter auch, weil ein Rückzug vielen Betroffenen als die ‚beste‘ Option erscheint, um sich vor Enttäuschungen und Verletzungen zu schützen.
Diebstahl und Gewalt gehören zum Alltag
Denn obwohl ihre Besitztümer in der Regel überschaubar sind, sind Diebstahl und Gewalterfahrungen auch unter Wohnungslosen keine Seltenheit. Dazu kommt, dass sie auf der Straße auch Anfeindungen und Angriffen anderer Leute ausgesetzt sind. Und diese nehmen mitunter brutale Ausmaße an. So bericheten Medien immer wieder von Fällen, in den Obdachlose angepöbelt und attackiert werden – und mitunter an den Folgen versterben. 2019 sorgte in Köln der Fall des damals 68-jährigen Jean-Pierre M. für Schlagzeilen, den Jugendliche ins Koma prügelten.
Derartige Umstände und das Ausgeliefertsein in der Öffentlichkeit führen dazu, dass auf der Straße viele Einzelkämpfer unterwegs sind, die sich nicht mehr auf andere verlassen können oder wollen – auf der anderen Seite aber trotzdem froh wären, wenn jemand aktiv und offen auf sie zugeht und Interesse an ihnen und ihrer Geschichte zeigt.
Benefit von Besuchsdiensten
Ein Besuchsdienst könnte hier Positives bewirken, wie sich an anderer Stelle zeigt. So gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Angeboten, die sich an die unterschiedlichste Zielklientel wenden. Neben den Klassikern wie Besuchsdienste für ältere und kranke Menschen, gibt es auch welche für erkrankte Kinder, Behinderte, Nachbarn und Alleinerziehende. Ebenfalls angeboten werden zudem auch Besuchsdienste mit echten Tieren und welche mit Roboter-Variante. Die Offerten werden in der Regel gut angenommen und erfreuen sich reger Nachfrage – auch von Seiten Ehrenamtlicher, die sich engagieren möchten. Zudem gibt es zahlreiche prämierte Angebote, über die in regelmäßigen Abständen positive Erfahrungsberichte von Mitwirkenden erscheinen.
Initiative mit Leuchtturm-Charakter
Was es bisher allerdings noch nicht gab, ist ein Besuchsdienst, der sich speziell an wohnungs- und obdachlose Menschen richtet – obwohl gerade diese vom ehrlichen Interesse eines anderen an der eigenen Person stark profitieren können. Denkbare Gründe, warum dies so ist, gibt es einige: so hat die Zielklientel nur wenig Lobby und sieht sich mit vielen Vorurteilen und Berührungsängsten konfrontiert. Dazu kommt, dass sich ihre prekären Lebensumstände auch auf ihre Gesundheiten auswirken und psychische Erkrankungen wie Depressionen keine Seltenheit sind.
Davon abschrecken lassen wollen wir uns nicht – inspirriert von dem schönen Spruch: „Probleme sind nichts weiter als dornige Chancen“. Über Unterstützer freuen wir uns, ebenso wie über konstruktives Feedback und passende Anregungen.